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Die Bedeutung der Karwoche in der Orthodoxie

Die Kommunion der Apostel, Detail einer Wandmalerei aus dem 11. Jahrhundert in der Sophienkirche in Ohrid.
Foto: www.pravoslavieto.com
Die größten und vielleicht schönsten Feierlichkeiten für viele orthodoxe Christen sind die Gottesdienste und Bräuche der Karwoche. An diesen Tagen herrscht eine große Spannung und Traurigkeit, aber gleichzeitig auch eine gewisse Vorfreude auf das Ereignis der Auferstehung. Lange Gottesdienste, Weihrauch, Lichter und Kirchen voller Menschen kennzeichnen das Bild an diesen Tagen.

Die Karwoche beginnt nach Palmsonntag, an dem an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert wird. Das Neue Testament berichtet davon, dass Jesus auf einem Esel in die Stadt einzog. Die Menschen auf den Straßen hielten Palmzweige in der Hand und jubelten ihm zu, denn sie sahen in ihm den Messias. Die Christen feiern diesen Tag heute mit Palmenzweigen, oder genauer gesagt mit Weidenzweigen in der Hand, denn in unseren Breitengraden gibt es bekanntlich keine Palmen. Die Liturgie beinhaltet eine Weihe der Weidenzweige. Im anschließenden Gottesdienst wird erstmals in der Karwoche vom Leiden und Sterben Jesu erzählt. Die Gottesdienstbesucher hören die Passionsgeschichte nach Matthäus, Markus oder Lukas, die so genannten synoptischen Passionsberichte. Der Passionsbericht nach Johannes ist für den Karfreitag vorbehalten.

Der Montag der Karwoche ist von der Tempelreinigung gekennzeichnet. Die Tempelreinigung ist jene Geschichte aus dem Leben Jesu, der zufolge er im Jerusalemer Tempel Händler vorfand, die Ochsen, Schafe und Tauben feilboten. Jesu vertrieb sie aus dem Tempel und predigte, dass der Tempel zum Beten dienen solle.

Der darauffolgende Dienstag erinnert an die zehn klugen Jungfrauen, die auf Gott warten. Am Karmittwoch wird dann die Geschichte über jene Frau erzählt, die Jesus Christus wenige Tage vor seinem Einzug nach Jerusalem in Bethanien seine Füße mit Öl gesalbt hatte, als Zeichen der großen Demut und Reue für ihre Sünden. Sie hat ihm die Salbung im Hinblick auf sein Begräbnis geschenkt. Am selben Abend wird in der Kirche auch der Gottesdienst der Ölsalbung vollzogen. Es handelt sich hierbei um eine Zeremonie, in der sieben Evangeliumsstellen gelesen werden, die sich auf das Sakrament beziehen. Im Anschluss daran werden die Menschen mit dem geheiligten Öl gesalbt. Mit dieser Tat werden die Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes gestärkt. Viele Kirchenbesucher nehmen sich ein wenig Öl auf einem Stück Watte mit nach Hause, um es anderen Familienangehörigen oder Nachbarn aufzutragen.

Am Gründonnerstag wird die Heilige Eucharistie gefeiert, d.h. das Sakrament des heiligen Abendmahls. In der Kirche liest man an diesem Morgen eine Zusammenfassung aus vier Evangelien zur Leidensgeschichte Jesu von der Salbung in Bethanien bis hin zur Übergabe an Pontius Pilatus. Am Gründonnerstag und am Karfreitag gedenken die Christen Jesu Leiden und Sterben. Beide Tage sind untrennbar mit Ostern als Fest der Auferstehung verbunden. Die Liturgie dieser Tage versteht Leiden, Tod und Auferstehung Jesu als eine Einheit. Im Mittelpunkt der Messe am Gründonnerstag steht das Gedächtnis des letzten Abendmahls Christi.
Noch am Abend beginnt der Gottesdienst der Kreuzigung. An diesem Abend werden verschiedene Lesungen zur Festnahme, zur Richtung und zur Kreuzigung Jesu gelesen. Oftmals findet eine Prozession in der Kirche selbst statt.

Die Liturgie am Karfreitag erinnert an das Leiden und Sterben Jesu Christi. In vielen orthodoxen Kirchen wird die Kreuzigung sogar nachgeahmt. Am Morgen des Karfreitags wird Jesu Körper mit Hilfe der Messdiener symbolisch vom Kreuze genommen und anschließend in Leinen gewickelt. Man legt den Leichnam auf eine mit Blumen geschmückte Bahre, und besprengt ihn als Zeichen der Ehre mit Blumen. Viele Menschen kommen und bekreuzigen sich vor der symbolischen Bahre, und mancherorts ist es sogar üblich, darunter zu kriechen, um somit seinen Segen zu bekommen. Ab dem Moment, in dem Jesus in das Leinentuch gewickelt wird, läuten die Glocken in einer sehr langsamen Frequenz trauervoll um den Tod des Herrn.

Während in den abendländischen Kirchen am Karsamstag keine Gottesdienste stattfinden, weil es der Tag der Grabesruhe Christi ist, gilt der Karsamstag in der orthodoxen Kirche als das erste Osterfest. Der Gottesdienst, der am Samstagmorgen gefeiert wird, nennt sich auch die "kleine Auferstehung". Die Anzeichen auf die Auferstehung haben sich bemerkbar gemacht. Der Glaube bekundet, dass Jesus in den Tod hinabgestiegen ist und die Fesseln derer löste, die in der Unterwelt waren. Die orthodoxe Ikone der Auferstehung zeigt dieses Ereignis sehr deutlich. Der Tod in Menschengestalt ist gefesselt, Schlösser und Schlüssel sind zerschmettert und Jesus streckt Adam und Eva die Hand in einer väterlichen und vor allem fürsorglichen Liebe hin.

© Foto: Archiv


Am Abend des Karsamstags schreiten die Menschen mit weißen Kerzen in die Kirche. Es folgen Gesänge, Lesungen und die Seligpreisungen: Alles was auf der Erde und im Himmel ist, wird aufgerufen, dem Herrn zu singen. Das Volk, die Engel, die Gewässer, die Sonne und der Mond, die Sterne, das Licht und die Dunkelheit, die Hitze und die Kälte, der Tau, der Schnee, die Wolken, die Berge, die Quellen, die Flüsse, die Tiere, und es folgen die Apostel, die Propheten und die Märtyrer. Alle singen dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Kurz vor Mitternacht wird es in der Kirche plötzlich dunkel. Alle Kerzen erloschen.
Der Priester tritt aus dem Altarraum mit drei großen brennenden Kerzen heraus und lädt die Menschen ein, das auferstandene Licht mit den Worten zu empfangen: "Auf, nehmt das Heilige Licht vom nie untergehenden Licht und lasst uns preisen Christus, den von den Toten Auferstandenen". Viele schreiten nach vorne und zünden sich ihre Kerzen an, um das Licht weiterzuleiten. So geht es weiter, bis alle ihre Kerzen angezündet haben. Dann werden die Lichter in der Kirche wieder angemacht. Der Priester tritt mitsamt Messdienern und Sängern aus der Kirche, um aus dem Evangelium zu lesen und mit lauter Stimme unter freiem Himmel das erlösende "Christus ist auferstanden" zu verkünden, worauf die Menge jubelnd antwortet: "Wahrhaftig auferstanden!" Dann folgt das schönste aller Kirchenlieder:
"Christus ist erstanden von den Toten, hat den Tod mit seinem Tod besiegt und hat denen, die in den Gräbern sind, das Leben geschenkt", heißt es in diesem Kirchenlied, das die Auferstehung Christi preist. Die Glocken läuten, die Menschen fallen sich in die Arme und tauschen den Ostergruß aus: "Christus ist auferstanden. Wahrhaftig auferstanden". Im Anschluss beginnt die Osterliturgie mit freudigem Kirchengesang. Die Besucher der Osterliturgie tragen anschließend die neue Flamme nach Hause, um die Öllampe vor der Familienikone neu zu entzünden und um mit dem Ruß ein Kreuz über die Eingangstür zu machen. Manche Gläubige bleiben aber in der Kirche, um in den frühen Morgenstunden des Ostersonntags die Kommunion zu empfangen.

Redaktion: Vessela Vladkova


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