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Die Heimlichkeiten der Hl. Anastasia-Insel

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Foto: Wenetta Nikolowa

Vor 90 Jahren hat wohl kaum einer der auf die Hl. Anastasia-Insel verbannten Terroristen geahnt, dass sie eines Tages zu Berühmtheiten mit romantischem Glorienschein werden würden, und ihr Kerker - zu einem touristischen Highlight. Manchmal spielt die Geschichte jedoch einen Streich, weswegen man sie mit einem gewissen Abstand und unvoreingenommen betrachten sollte. Das zumindest haben die Betreiber der winzigen Insel getan, die einsam inmitten der Wellen der Burgasser Bucht liegt. Von den ungewöhnlichen Schicksalen der besagten Terroristen bis hin zu Legenden über Piratenüberfälle, über verborgene Schätze und Heilige mit heilkräftigen Fähigkeiten - hier haben die Inselmanager eine einzigartige und mythenreiche Attraktion geschaffen. Das Ziel liegt auf der Hand - eine Reise in die Vergangenheit und in das Reich der Träume.


Schon von weitem empfängt einen der 100 Jahre alte Leuchtturm, der wie ein einsamer Wächter den Seestürmen trotzt. Viele Jahre lang waren seine Insassen die einzigen Bewohner auf diesem felsigen Flecken Erde, der sich auf max. 8000 m2 erstreckt. Von ihnen erfahren wir, dass im Winter hier starke Stürme toben und der Schaum der Brandung die Insel in ein weißes Gewand hüllt. Auch mussten die Leuchtturmwärter zuweilen, vom Festland abgeschnitten, zwei Wochen ohne Proviant auskommen. Namensgeberin der Insel ist die heilige Anastasia, auch Heilerin genannt - eine Großmärtyrerin der christlichen Kirche, die die Kranken und zu Unrecht verurteilten Menschen beschützt. Auch ist die Heilige die Schutzherrin des örtlichen Klosters, um das sich sagenumwobene Legenden von verwunschenen Schicksälen und verborgenen Schätze ranken. In der Vergangenheit gab es auf der einsamen Insel u.a. auch ein Mönchs- und ein Nonnenkloster. Über das Miteinander der Gott und der Keuschheit geweihten Nonnen und Mönche kann man lediglich Vermutungen anstellen. Auch erzählt man sich, dass die Insel häufig von Räubern und Piraten heimgesucht wurde. Man vermutete hier einen vergrabenen Schatz, der vom missgünstigen Geist eines Räubers bewacht wird. Der Legende nach sollen die Mönche bei nahender Gefahr einmal an das Ufer gegangen sein und die Ikone der heiligen Anastasia auf ein sich näherndes Piratenschiff gerichtet haben. In diesem Moment sei ein Sturm aufgekommen und habe das Piratenschiff mit lautem Getöse an der Felsküste zerschellen lassen. Mit ein wenig Fantasie kann man auch heute noch die versteinerten Überreste des mythischen Schiffes ausmachen, das sich zu einer örtlichen Attraktion gemausert hat. Ganz in der Nähe befindet sich zudem das "Sonnentor". Das vermutlich thrakische Heiligtum begrüßt die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.


Die Geschichte der Insel ist ungewöhnlich und wechselhaft. Eingangs des 20. Jahrhunderts verwandelt sie sich in eine Art bulgarische Alcatraz. 1925 wurden die Autoren des weltweit blutigsten Terrorakts jener Zeit - des von den Kommunisten organisierten Anschlags auf die Sofioter Nedelja-Kirche - hier festgehalten. Bei dem Attentat kamen 213 Menschen ums Leben, darunter auch Kinder, über 500 wurden verletzt. Die Drahtzieher wurden ausfindig gemacht - die Attentäter wurden auf die Insel  Hl. Anastasia verbannt. Einige Monate später gelingt 43 Häftlingen mit zwei Ruderbooten die Flucht zum nächstgelegenen Festland und von dort aus in die für sie gelobte UdSSR. Interessant ist, dass einige von ihnen unter den Kommunisten wieder nach Bulgarien zurückkehrten und von der Partei als Helden gefeiert wurden. Offenbar auf ihre Initiative trug die Insel im Sozialismus den rot angehauchten Namen "Bolschewik". Übrigens werden die Taten der verbannten Kommunisten in einer kleinen Sammlung des örtliche Museum "gepriesen". Auch kann man hier die Nachstellung eines Piratenschatzes, der interessantesten Ikonen der heiligen Anastasia, des mit Plankton überzogenen Meeresbodens und andere derartige Multimedia-Attraktionen bewundern. Jeder Insel-Besucher wird auf dem Island persönlich vom jungen Geschäftsführer Pawlin Dimitrow begrüßt, der unter 250 Bewerbern für diesen Traumjob ausgesucht wurde. Von ihm erfahren wir, dass man hier auch übernachten und im Restaurant in den einstigen Klostergemäuern frische Fischspezialitäten genießen kann


"Hier haben Maler und Schauspieler den ganzen Sommer über das Leben genossen und waren schöpferisch tätig, d.h. in der Zeit nach der Nutzung als Gefängnis. In diesem Sinne war die Insel die meiste Zeit des 20. Jahrhunderts über ein kulturelles Zentrum. Hier wurde 2011 des Film `Die Insel` von Kamen Kalev gedreht, u.a. mit  Laetitia Casta. Der Streifen zeigt, wie die Insel in den letzten Jahren vor ihrer aus europäischen Fördermitteln finanzierten Restauration ausgesehen hat. Bewirtschaft wird das Island von der Gemeinde Burgas. Seit dem 15. Mai, der offiziellen Eröffnung für Besucher, waren bereits über 4.000 Touristen bei uns zu Gast."


Als Teil des Strandscha-Gebirges soll die Insel zudem mit positiver Energie geladen sein, was auf die ungewöhnlich reichen Metallvorkommen zurückgeführt wird. In der Luft liegt der Duft von Oliven, Thymian und Melisse. Trinke einen Tee im örtlichen Café, mache einen Spaziergang an der mit Mohnblumen übersäten Küste, unterhalte dich mit dem Leuchtturmwärter, der unzählige Legenden über die Insel kennt, zünde in der altehrwürdigen Kirche mit Fresken aus dem 16. Jahrhundert eine Kerze an und genieße das Erlebnis namens heilige Anastasia.

Übersetzung: Christine Christov

Fotos: Wenetta Nikolowa




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