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Kopriwschtitza – Heimstatt von Bildung und Kultur der Wiedergeburtszeit

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Foto: koprivshtitsa-bg.com

„Merkt auf, ihr Leser und Zuhörer, ihr Bulgaren, die ihr bulgarisches Geschlecht und Vaterland liebt und im Herzen habt. Es ist euch vonnöten und nützlich, die Taten euer Väter, eurer Könige und Heiligen, gewisslich zu kennen. Es ist euch vonnöten und nützlich die Taten eurer Väter zu kennen, wie alle anderen Völker ihr Geschlecht, Sprache und Geschichte kennen…Für euch schrieb ich das, was von eurem Geschlecht und von eurer Sprache bekannt ist. Leset und wisset es, damit ihr von anderen Völkern nicht verspottet und verurteilt werdet…

Für euch schrieb ich, die ihr euer Geschlecht und bulgarisches Vaterland liebt und Bescheid zu wissen begehrt über euer Volk, und euer Sprache. Schreibt diese Geschichte ab und lasst sie abschreiben...hütet sie, damit sie nicht in Vergessenheit gerate.“

Dies schrieb vor mehr als zwei Jahrhunderten in seiner „Slavo-bulgarischen Geschichte“ der heilige Païssi von Hilandar. Er gehört zu den ersten und eifrigsten Aufklärern des bulgarischen Volkes, die in der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt wirkten. Ihr Werk wird bis heute hoch in Ehren gehalten. Ein Beweis dafür ist der Besucherandrang, den das neueste Museum im Balkanstädtchen Kopriwschtitza verzeichnet, das den Ort als geistiges Zentrum der bulgarischen Wiedergeburt vorstellt. Eingerichtet wurde es im Dorosiew-Haus – einem der typischen Häuser dieses geschichtsträchtigen Ortes. Über die Tätigkeit des Museums erzählte uns seine Direktorin Swetlana Muchowa:

„Wir stellen die Kulturgeschichte der hiesigen bulgarischen Wiedergeburt vor, angefangen bei den Zellenschulen. Sie sind jene Kulturform, die sich auch nach dem Fall Bulgariens unter osmanische Fremdherrschaft bewahrt hat. Im mittelalterlichen Bulgarien gab es bedeutende philosophische und Schriftgelehrtenschulen, die jedoch nach der osmanischen Invasion aufgelöst wurden. Erhalten blieben lediglich die Klosterschulen, die die bulgarische Kultur und Literatur bewahrten. Aus diesem Grund ist es ein Fehler, von den Zellenschulen mit Verachtung zu sprechen, die ja im Grunde genommen als einzige für Bildung unter der unterjochten Bevölkerung sorgten. In Kopriwschtitza wurden solche Schulen im 16. und 17. Jahrhundert eingerichtet. Hier gab es Niederlassungen der Klöster Rila und Hilandar. Ihnen ist der Erhalt der bulgarischen Schriftkultur und des christlichen Glaubens zu verdanken, während später Persönlichkeiten wie Païssi das Nationalbewusstsein der Bulgaren weckten. Ohne die geistigen Aufklärer, die in den Jahrhunderten der Fremdherrschaft den kulturellen Funken hüteten, hätte es sicherlich keine Revolutionäre gegeben.“ 

Im Bildungsmuseum von Kopriwschtitza sind zwei Zellenschulen und eine Dorfschule rekonstruiert. Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhundert begann man auch außerhalb von Klöstern Schulen einzurichten. Örtliche Handwerker und gebildetere Menschen schlüpften in die Rolle von Lehrern – das waren die Anfänge der weltlichen Bildung in Bulgarien.

„Die letzte Etappe in der Entwicklung des Bildungswesens in der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt stellt die von Najden Gerow 1846 in Kopriwschtitza eröffnete Klassenschule“, erzählt weiter die Museumsdirektorin Swetlana Muchowa. „Nachdem nach der Wende von 1989 das Haus von Najden Gerow, in dem in den Zeiten des Sozialismus ein Museum eingerichtet worden war, den Alteigentümern zurückgegeben wurde, konnte etliche Jahre hindurch das Leben und Werk dieses Intellektuellen nicht gebührend mit einer ständigen Ausstellung vorgestellt und gewürdigt werden. Aus diesem Grund wurde nun im Museum für Bildungswesen in Kopriwschtitza ein spezieller Saal für Najden Gerow eingerichtet. Er gehört zu den bemerkenswertesten Pädagogen der bulgarischen Wiedergeburtszeit und zählt zu den ersten bulgarischen Lyrikern der Neuzeit. Von ihm stammt auch das erste Wörterbuch der bulgarischen Sprache – eine wahrhaft kolossale Arbeit, bedenkt man die Umstünde seines Wirkens. Er, wie auch eine Reihe weiterer Intellektueller waren die Lehrer der Ideologen der Befreiungsbewegung in Bulgarien. Aus Kopriwschtitza stammen jedoch nicht nur Lehrer und Revolutionäre, sondern auch etliche der späteren Führungspolitiker des neugegründeten Staates. Sie wurden im Geist der Verantwortung gegenüber Eltern und Familie sowie der Heimat erzogen. Das Pflichtgefühl war in ihrem Bewusstsein tief verankert und das Dank der erzieherischen Arbeit all der kirchlichen und weltlichen Lehrer.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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