Maria Dimitrova-Pichot, Präsidentin der Vereinigung der frankophonen Journalisten in Bulgarien, legte in einem Interview für Radio Bulgarien aus dem Epizentrum der Epidemie in Paris ihren Standpunkt über die Entwicklung der Dinge dar.
Kein einziger Erdbewohner hätte zu Beginn 2020 geahnt, dass das Schaltjahr der Menschheit eine ihrer härtesten Prüfungen bescheren würde. Nachdem wir Menschen solche gefürchtete Krankheiten wie Pest, Lepra, Cholera und Pocken in den Griff bekommen hatten, hätte sich niemand von uns träumen lassen, dass ein Virus unser Leben um 180 Grad drehen könnte. Als China über die drohende Gefahr alarmierte, glaubten die meisten von uns, der Infektionsherd würde die Grenzen nicht überschreiten. Falsch gedacht! Die Epidemie breitete sich derart rasant über den gesamten Globus aus, dass selbst den größten Skeptikern, die die Epidemie mit einer gewöhnlichen Saisongrippe verglichen, die Argumente ausblieben. Und es stellte sich heraus, dass jene Länder, die ihre wirtschaftliche Entwicklung wegen einem Virus nicht aufhalten wollten, nicht darauf vorbereitet waren, der Wucht der Epidemie zu begegnen.
Wie kommt Europa mit den Verlusten zurecht?
„Die westliche Welt hat seit langem keine ernsthaften Krisen erlebt, weshalb ihr Reflex für drohende Gefahren verkümmert ist“, sagt die Journalistin Maria Dimitrova-Pichot, langjährige Redakteurin bei Radio Bulgarien. Derzeit verfolgt sie vor Ort die Entwicklungen in Frankreich.
„Aus gesamteuropäischer Sicht betrachtet ist die Einstellung der einzelnen europäischen Länder dieser Epidemie gegenüber vollkommen unterschiedlich. Alle waren jedoch unvorbereitet. Am besten war vielleicht Deutschland darauf vorbereitet. Ich erinnere mich an einen anekdotenhaften Fakt: Vor einigen Jahren hat Merkel die Deutschen angemahnt, sich wegen einem anbahnenden Militärkonflikt für drei Monate mit allem Nötigen einzudecken. Die Europäer hatten bereits Erfahrungen mit Coronavirus-Infektionen wie SARS, haben sich diesmal jedoch als völlig unvorbereitet und als abhängig von China erwiesen. Die Masken werden hauptsächlich dort hergestellt, auch die medizinischen Geräte, ganz zu schweigen von anderen Produkten, die aus China stammen. So wird Frankreich zum Beispiel jetzt wieder eine Fabrik eröffnen, in der früher medizinische Masken hergestellt wurden, die jedoch aus Rentabilitätsgründen geschlossen wurde. Bei seinem Besuch dort betonte Präsident Macron, die europäischen Länder sollten daran arbeiten, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit innerhalb der EU aufzubauen.“
Und während Italien, Spanien und Frankreich jeden Tag mit neuen düsteren Statistiken über die Zahl der Covid-Opfer aufwarten, sträuben sich Länder wie England, die Niederlande und Schweden immer noch, die Produktion einzustellen und setzen lieber auf Kontaktbeschränkungen und stärkere Schutzmaßnahmen. Bei einer Videokonferenz des Europäischen Rates am 26. März wurde die Kluft zwischen dem Norden und dem Süden auch im Hinblick auf gemeinsame Maßnahmen zur Überwindung der Krise deutlich. Die Appelle von Premierminister Pedro Sánchez nach Solidarität und Ausarbeitung eines neuen Marshall-Plans zur wirtschaftlichen Erholung trafen bei Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Finnland auf taube Ohren.
UN-Experten gehen davon aus, dass weltweit mehr als 25 Millionen Menschen arbeitslos werden. Ungewiss ist jedoch, wie viele Erdbewohner das verheerende Virus überleben werden, das bisher mehr als 30.000 Europäern das Leben gekostet hat.
„Und hier kommt die große Frage: Wie weit dürfen die Beschränkungen der Isolation reichen und darf die Wirtschaft auf sich gestellt und ohne ein Beatmungsgerät gelassen werden“, bemerkt Maria Dimitrova-Pichot und ergänzt: „Die Krise wird unweigerlich unserem gesamten Existenzmodell einen starken Hieb auswischen.“
„Ich persönlich befürchte, dass die patriotischen Organisationen Oberhand gewinnen könnten. Der Grund dafür: Die Menschen in Europa sind extrem aufgebracht darüber, dass die Epidemie uns vollkommen unvorbereitet getroffen hat. Alles, was mit der Machtausübung zusammenhängt und der Art, wie sich die Welt entwickelt, wird gründlich überdacht werden. Es ist wahrscheinlich, dass Macron wegen dieser Krise von der Bühne gehen muss. Andererseits hat China das Virus lange Zeit nicht gemeldet, so dass der Rest der Welt nicht rechtzeitig gewarnt wurde. Es liegt in der Natur der Menschen, das Böse so lange zu ignorieren, bis es sie selbst eingeholt hat. Die Hoffnung ist, dass wir umdenken und unsere Werte neu ordnen. Ob wir zur Besinnung kommen? Ja, hoffentlich. Wir alle hoffen, dass die Menschheit aus dieser schweren Prüfung lernen und klüger aus ihr hervorgehen wird.“
Was Bulgarien angeht, prognostiziert unsere Kollegin, dass die Menschen die Situation hier besser meistern und die Verbreitung des Virus eingedämmt wird.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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