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Exklusivinterview der Kapellmeisterin der Wiener Philharmonie für Radio Bulgarien

Albena Danailova: Ich träume von einer Welt ohne Einschränkungen und mit mehr Musik

Albena Danailova
Foto: Archiv

Am 29. Juni wird im hauptstädtischen Bulgaria-Konzerthaus das Orchester von Klassik FM, dirigiert von Grigor Palikarow, spielen. Als Solistin konnte die Geigerin Albena Danailova gewonnen werden.

Das Programm ist bunt“, erzählte uns unsere anerkannte Musikerin. „Auf Anregung des Orchesters werde ich Werke von J. S. Bach, Sarasate und Kreisler interpretieren. Die von uns vorbereiteten Stücke würde ich als „sommerlich“, „leicht“ und „angenehm zu hören“ bezeichnen.“ Das Konzert wird im Rahmen des Europäischen Musikfestivals stattfinden.

Man nennt Albena Danailova die „First Lady“ der Wiener Philharmoniker und das ist nicht nur ein journalistischer Werbetrick - sie ist tatsächlich die erste Konzertmeisterin, die ihren Namen in der fast 180-jährigen Geschichte des Orchesters eingetragen hat, das als eines der Besten in die Welt gilt.

Albena Danailova wurde in Sofia in einer Musikerfamilie geboren. Zuerst studierte sie Violine bei Nelli Schelewa an der Nationalen Musikschule „Ljubomir Pipkow“ und danach bei Prof. Dora Iwanowa an der Nationalen Musikakademie „Pantscho Wladigerow“. Bis heute erinnert sie sich an die endlosen Stunden harter Arbeit mit ihren Lehrern, die Art und Weise, wie sie unterrichten, die Erfahrungen, die sie gesammelt hat.

Ich habe im Alter von etwa 4 oder 5 Jahren angefangen, wie die meisten meiner Altersgenossen in Bulgarien auch, aber erst mit 13 oder 14 habe ich begriffen, dass mir das Musizieren maximale Freiheit gibt. Mein Studium setzte ich an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock bei Prof. Petru Munteanu fort. Dann bin ich nach München gezogen. Ich denke, dass für die Menschen, die sich mit unserer Kunst beschäftigen, Deutschland und Österreich am attraktivsten sind, weil man dort das Meiste für die klassische Musik tut. Ich hatte bereits Erfahrungen als Konzertmeisterin des Bayerischen Staatsorchesters, als ich in einer Fachzeitschrift las, dass bei den Wiener Philharmonikern die gleiche Position vakant sei. Beim ersten Mal stoppte man den Wettbewerb und engagierte niemanden, aber beim zweiten Mal wusste ich innerlich, dass es mir gelingen würde. Warum, kann ich nicht sagen, aber ich wollte die Stelle unbedingt haben und war mir sicher. Ich gewann den Wettbewerb, das ganze Orchester beglückwünschte mich. Dann hatte ich zwei Monate Zeit, um nach Wien zu ziehen und anzufangen zu arbeiten. Bis heute ist es so geblieben – Arbeit und nochmals Arbeit.

Albena Danailova war damals die sechste oder siebente Frau im Orchester. Der langsamere Einstieg von Frauen in das legendäre Orchester kann ihrer Meinung nach damit erklärt werden, dass die Wiener strikt an den Traditionen festhalten.

Im Grunde genommen reicht die Einwilligung des Orchesters zur Aufnahme von Frauen in die 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Diese Tatsache ist aber kaum bekannt. Die Dinge ändern sich dort irgendwie langsamer. Die Österreicher selbst machen gerne Witze darüber und sagen: „Wenn die Welt untergeht, kommt zu uns, denn bei uns passiert alles 30 Jahre später.“ Ich weiß nicht, wie viele Frauen heute im Orchester sitzen; vielleicht nahezu 20; das wäre noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Zusammen mit meinen Kollegen spielen wir oft Kammermusik in verschiedenen Besetzungen – vom Trio bis zum Oktett oder Nonett. Das machen fast alle, denn es hält uns als Instrumentalisten fit und gehört auch zu unserem Beruf. Oft geben wir Konzerte im Musikverein, in verschiedenen anderen Sälen in Österreich, besuchen Japan und China. Seit kurzem bin ich Professor für Violine und unterrichte an der Universität Wien; parallel dazu setze ich meine Solokarriere fort.

Ich mag es sehr, immer wieder nach Bulgarien zurückzukehren, um in meiner Heimat zu spielen. Das weckt viele Erinnerungen an eine Zeit, als es mich noch nicht in die weite Welt getrieben hatte. Bulgarien ist für mich mein „Zuhause“, aber jedes Mal habe ich das Gefühl, dass wir uns verändern - ich und mein „Zuhause“. Egal auf welcher Bühne - es bereitet mir immer Freude, für das Publikum zu spielen und so mit Menschen in Kontakt zu treten, die ich eigentlich nicht kenne. Was würde ich mir wünschen? Keine Pandemien mehr, unser Leben frei von Einschränkungen. Und natürlich mehr Musik, nicht nur für uns Berufsmusiker, sondern vor allem für die Jugendlichen und die Kinder.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow




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