Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei GERB, Bojko Borissow, warnte, dass die Abgeordneten unter Druck gesetzt werden, bei der Abstimmung über das neue Kabinett mit dem Mandat von „Wir setzen die Veränderung fort“ dem Plenarsaal fernzubleiben. Die Regierenden würden nicht nur „kolossale Summen“, sondern auch „Zahlung in Bitcoins“ anbieten, gab Borissow bei einem Briefing bekannt. Er wies darauf hin, dass ein Abgeordneter etwa 10.000 Wähler vertritt und dass, wenn der Kauf und Verkauf von Stimmen bei Wahlen verboten ist, dies auch für den Kauf von Abgeordneten zutreffe.
Später räumte der derzeitige GERB-Abgeordnete und ehemalige Energieminister Deljan Dobrew in einem Interview für den Fernsehsender bTV ein, dass ihm keine Fakten über den Kauf von Abgeordneten mittels Posten und Bitcoins vorlägen, im Parlament würden aber solche Gerüchte kursieren.
Es wurde auch klar, dass Vertreter der Regierungskoalition drei Abgeordnete der Partei „Wasraschdane“ kontaktiert haben. Auf einer Pressekonferenz erklärte ihr Parteivorsitzender Kostadin Kostadinow, man habe ihnen Stimuli unterschiedlichster Form angeboten, um ein Kabinett mit Assen Wassilew an der Spitze zu unterstützen.
Der scheidende Minister für Innovation und Wachstum Daniel Lorer hat in einem Interview für den Fernsehsender bTV entschieden bestritten, dass Abgeordneten gekauft würden.
„Natürlich kaufen wir keine Abgeordneten, Gewissen und Menschen. Diejenigen, die sich beklagen, fühlen sich offensichtlich in ihrem eigenen Fahrwasser und wissen, wie so etwas gemacht wird. Für uns ist das Parlament kein Einkaufsladen“, sagte Lorer.
Der Verdacht, dass hinter den Kulissen gefeilscht wird, bleibt jedoch bestehen. Der scheidende Premierminister Kiril Petkow gab zu, dass „Wir setzen die Veränderung fort“, „Demokratisches Bulgarien“ und die BSP die Gespräche mit Abgeordneten fortsetzen, die Einblick in das politische Programm einer eventuellen künftigen Regierung der drei Formationen erhalten möchten. „Eigentlich müssen sich einige Leute entscheiden, wem sie treu sind, ihrer Partei und ihrem Leader, der meiner Meinung nach sein Versprechen gegenüber dem Volk oder uns allen nicht gehalten hat – dass wir Verantwortung gegenüber Bulgarien haben und auch die Chance, nicht in eine politische Krise zu schlittern.“
Toschko Jordanow, Vorsitzender der Parlamentsfraktion der Partei „Es gibt ein solches Volk“ (ITN) beschwerte sich, die Regierenden würden „auf das unverschämteste“ weiterhin ihre Vertreter anrufen. „Sie haben sogar angefangen, ihre Verwandten anzurufen. Sie rufen Brüder und Kinder an und bieten ihnen Posten im Staat an.“
In Artikel 67 der Verfassung der Republik Bulgarien heißt es: „Die Volksabgeordneten vertreten nicht nur ihre Wähler, sondern das gesamte Volk. Die Bindung an ein obligatorisches Mandat ist null und nichtig. Die Abgeordneten handeln auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze und lassen sich von ihrem Gewissen und ihren Überzeugungen leiten.“
Der Begriff „Gewissen“ ist eine moralische und ethische Kategorie, verbunden mit dem Bewusstsein einer gewissen Schuld, die immer durch einen Fehler verursacht wird. Sollte es aber stimmen, dass Abgeordnete tatsächlich an ihren Arbeitsplätzen belästigt und unter Druck gesetzt werden, dann nennt man das Mobbing. Die Richtlinie 89/391/EWG der Europäischen Kommission garantiert den Schutz von Arbeitnehmern. In dem Dokument heißt es, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden wird.
Gemäß Artikel 17 des bulgarischen Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Fall zu untersuchen, wenn er davon erfährt, dass ein Arbeitnehmer das Gefühl hat, psychisch belästigt zu werden. Falls der Arbeitgeber keine Maßnahmen ergreift, kann die Kommission zum Schutz vor Diskriminierung um Hilfe ersucht werden, die nach Verweisung eingreifen und eine Entscheidung zum Kasus zu treffen hat. Die Beschwerde bei der Kommission muss schriftlich erfolgen und von den Betroffenen selbst eingereicht werden.
Jeder Abgeordnete, der sich unter Druck gesetzt fühlt, kann auf diese Weise Schutz suchen. Bislang wurde keine Anzeige erstattet. Zumal die Amtszeit des Abgeordneten zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Verfahren einleitet, bereits abgelaufen sein könnte. Ob das der Fall sein wird, werden wir am 12. Juli erfahren, wenn „Wir setzen die Veränderung fort“ entweder eine Mehrheit von mehr als 121 Abgeordneten haben wird, um eine neue Regierung zu stellen oder das Mandat zur Regierungsbildung zurückgeben wird.
Und im Prinzip sind sowohl die Regierenden als auch die Opposition in Sachen Marktwirtschaft gut bewandert und wissen sehr gut: Man kauft nur das, wonach eine Nachfrage besteht und was angeboten wird.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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