Der Präsident Rumen Radew wird zweifelsfrei damit in Erinnerung bleiben, dass er während seiner Amtszeit die meisten Übergangsregierungen ernannt hat. Jetzt ist die vierte von ihm eingesetzte Regierung an der Macht und ob weitere folgen werden, wird die Zeit zeigen.
Die Übergangsregierung hat die verfassungsmäßige Pflicht, faire und transparente Parlamentswahlen zu organisieren und durchzuführen, ist aber auch berechtigt, aktuelle Entscheidungen zu treffen, die keiner Zustimmung durch das Parlament erfordern. Berufen, Garant für die Stabilität im Land zu sein, sollte eine solche Regierung nicht durch Fehlentscheidungen die Unzufriedenheit in der Öffentlichkeit schüren. Doch schon am vierten Tag ihrer Amtszeit provozierte das amtierende Übergangskabinett einen Teil der bulgarischen Bürger, auf die Straße zu gehen. Der Grund dafür ist die Panikmache in Bezug auf die Gasversorgungslage und die Appelle, erneut mit Gazprom zu verhandeln.
„Das Problem mit den Gaslieferungen war eher ein Kommunikationsproblem. Es gibt Minister in der Übergangsregierung mit einer starken proeuropäischen Orientierung wie zum Beispiel der Vizepremier Atanas Pekanow. Deshalb halte ich die Wende nach Osten für unmöglich, da die Politiker keinen so drastischen Wechsel wollen“, erklärte der Politikwissenschaftler Iwajlo Dinew in einem Interview für den BNR, räumte jedoch ein, dass bestimmte Schachzüge und unangemessene Äußerungen viel Wasser in die Mühle der Kritiker gießen, die die Zweckmäßigkeit von Übergangsregierungen infrage stellen.
Der politische Beobachter Hristo Pantchugow erinnerte daran, dass Übergangsregierungen nach der Wende von 1989 notwendig wurden, um den politischen Einfluss der Kommunistischen Partei einzugrenzen. Doch das war in der Zeit der Abschaffung des sozialistischen Systems. Jetzt müsse das nächste Parlament, egal über wie viel Amtszeit es verfügt, dafür sorgen, die Übergangsregierung als Regierungsform abzuschaffen, ist Hristo Pantchugow kategorisch.
Einige Übergangsregierungen haben eine längere Amtszeit als reguläre Regierungen. Sie werden allmählich zu einem festen Bestandteil des bulgarischen politischen Prozesses, was auf parteiinterne Probleme zurückzuführen ist, behauptet der Politologe Strachil Delijski.
„Ein Großteil der politischen Parteien sieht den Sinn ihrer Existenz in der verbindlichen Positionierung gegen andere Parteien und der Bereitschaft für Debatten, aber nicht im Versuch, die Interessen einer bestimmten sozialen Gruppe der Gesellschaft zu vertreten“, unterstreicht der Politologe Strachil Delijski und erklärt damit das sinkende Vertrauen in die Parteien und die verhaltene Teilnahme an Wahlen. Die wachsende Zahl von Wahlberechtigten, die nicht wählen, dürfe nicht überraschen, denn die wichtigsten Schlagworte in den Programmen aller Parteien seien Wirtschaft, Markt, Korruption. „Es gibt keine einzige politische Kraft, die sich für die Interessen der Schwächsten einsetzt und deutlich links steht“, bemängelt Strachil Delijski und fügt hinzu, dass ein großer Teil der Bevölkerung arm ist und jemanden braucht, der eine Umverteilung der Ressourcen vorschlägt, jemanden, der ein sinnvolleres, europäisches Steuersystem anbietet, zugängliche öffentliche Güter, kostenlose öffentliche Dienstleistungen. In den Programmen der Parteien würden solche Angebote fehlen und so sei es selbstverständlich, dass diese Wähler zu Hause zu bleiben, erklärt der Politologe und prognostiziert, dass die Partei „Wir setzen die Veränderung fort“, die nach den letzten Parlamentswahlen an der Spitze der Regierung stand, bei den Wahlen am 2. Oktober an Stimmen verlieren werde, weil sie über keine eigene Wählerschaft verfüge. „Ich glaube nicht, dass ihr eine Vereinigung mit Demokratisches Bulgarien mehr Stimmen bringen wird“, sagte Strachil Delijski.
Redaktion: Joan Kolew
Übersetzung: Georgetta Janewa
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