Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Bulgarien feiert 115 Jahre Unabhängigkeit

Foto: gabrovo.bg

Am 22. September 1908, drei Jahrzehnte nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877-1878, hat Bulgarien seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich ausgerufen. Die von den Bulgaren heiß ersehnte Unabhängigkeit wurde nicht sofort verwirklicht, denn der Frieden von San Stefano (19. Februar 1878), der dem Krieg ein Ende setzte und die Grenzen der ursprünglichen ethnischen Gebiete Bulgariens festlegte, war nur vorübergehend.

Über das wahre Schicksal der Bulgaren wurde einige Monate später, am 13. Juli in Berlin, entschieden. Dort unterzeichneten die Großmächte einen Vertrag, der zur Zerstückelung der mehrheitlich von Bulgaren besiedelten Gebiete führte.


In Nordbulgarien entstand das Fürstentum Bulgarien, ein Vasall der Türkei, südlich des Balkangebirges - die autonome Region Ostrumelien und große Teile der mit Bulgaren besiedelten Gebiete in Thrakien und Mazedonien blieben weiterhin dem Sultan direkt untertan. So wurde der Kampf um die nationale Vereinigung und Unabhängigkeit zum Hauptziel des jungen bulgarischen Staates in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens.

Die Wiedervereinigung zwischen dem Fürstentum Bulgarien und Ostrumelien am 6. September 1885 war der erste Schritt in diese Richtung. Der nächste, nämlich die Erklärung der vollständigen Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich, musste bis 1908 warten.

Sowohl international als auch innenpolitisch befand sich Bulgarien in einer unvorteilhaften Lage - es war rechtlich noch immer von der Hohen Pforte abhängig und war einer Reihe von Einschränkungen ausgesetzt. Obwohl es frei war, blieb es das einzige Land auf dem Balkan, das noch keine volle Unabhängigkeit erlangt hatte. Es gab mehrere Versuche, die Unabhängigkeit auszurufen, aber erst 1908 war die außenpolitische Lage günstig für diesen für die Zukunft unseres Landes wichtigen Akt.

Im Osmanischen Reich brach die so genannte Jungtürkische Revolution aus und die gesamte Aufmerksamkeit des Reiches war darauf gerichtet. Zu diesem Zeitpunkt beschloss Österreich-Ungarn, die beiden ehemaligen osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina zu annektieren und damit den Berliner Vertrag zu verletzen.

Gleichzeitig brach ein Streik bei der Orientbahn (Compagnie des Chemins de fer Orientaux) aus, einer westlichen Konzessionsgesellschaft, die Bahnstrecken im europäischen Teil des Osmanischen Reiches baute und betrieb. Das damalige türkische Regime war rundum geschwächt und die junge bulgarische Diplomatie nutzte diese Situation aus. Die Regierung von Alexander Malinow überredete den bulgarischen Fürsten Ferdinand, die Unabhängigkeit Bulgariens zu erklären.

Als Schauplatz des feierlichen Ereignisses wurde die alte Hauptstadt Weliko Tarnowo gewählt. Fürst Ferdinand, der am 22. September 1908 zum „Zar der Bulgaren“ proklamiert wurde, verkündete in der Kirche der Heiligen 40 Märtyrer die Unabhängigkeit Bulgariens mit einem Manifest, das anschließend auch dem Volk verlesen wurde - in der historischen Festung Zarewez. Mit diesem Akt wurden praktisch die letzten Vasallen beziehungen zum Osmanischen Reich verworfen.

Das Original des Manifests von Zar Ferdinand I.    Foto: BTA

Im Goldenen Fonds des Bulgarischen Nationalen Rundfunks wird eine Aufnahme des Schauspielers Sawa Dimitrow aus Weliko Tarnowo aufbewahrt, der in die Rolle von Ferdinand geschlüpft ist, um das Manifest zu verlesen, mit dem die Unabhängigkeit Bulgariens ausgerufen wurde

„...Um den Bedürfnissen des Staates und den Wünschen des Volkes gerecht zu werden, erkläre ich mit dem Segen des Allmächtigen das vereinte Bulgarien am 6. September 1885 zu einem unabhängigen bulgarischen Königreich und bin mit meinem Volk fest davon überzeugt, dass dieser Akt die Zustimmung der Großmächte und die Sympathie der ganzen aufgeklärten Welt finden wird. Es lebe das freie und unabhängige Bulgarien! Es lebe das bulgarische Volk!“, heißt es im Manifest.

Schauspieler Sawa Dimitrow liest das Manifest. Foto: BGNES

Die in Weliko Tarnowo feierlich verkündete Unabhängigkeit Bulgariens wurde am selben Tag im ganzen Land gefeiert. Von besonderer Bedeutung waren die Feierlichkeiten in unserer Schwarzmeerstadt Burgas, wo die Unabhängigkeitshymne zum ersten Mal erklang. Ihr Autor ist Georgi Schagunow, Kapellmeister des 24. Schwarzmeer-Infanterie-Regiments. Die Hymne geriet jedoch viele Jahre lang in Vergessenheit. Sie wurde in den Archiven des Komponisten gefunden und zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder zum Leben erweckt.

Die Anerkennung der Unabhängigkeit Bulgariens war ein langer Prozess, auf den alle Regierungen des Landes nach der Befreiung von der türkischen Fremdherrschaft hingearbeitet hatten. Nach schwierigen Verhandlungen wurde die Unabhängigkeit Bulgariens am 6. April 1909 von der Hohen Pforte offiziell anerkannt. Damit wurde unser Land zu einem gleichwertigen Staat unter den anderen und erschien 30 Jahre nach seiner Befreiung wieder auf der Landkarte Europas.

In unserer jüngeren Geschichte wurde der 22. September durch einen Beschluss der Volksversammlungom 10. September 1998 zum offiziellen Feiertag erklärt.

Redaktion: Dessislawa Semkowska

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: BTA, BGNES, gabrovo.bg, bg.wikipedia.org, Archiv


Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Die Gedenktafel auf dem Hügel Zarewez in Weliko Tarnowo, wo die Unabhängigkeit Bulgariens verkündet wurde

Im Jahr 1908 wurde die volle Freiheit unseres Landes errungen

Am 22. September 1908 wurde die Unabhängigkeit Bulgariens ausgerufen. Nach dem kühnsten Unabhängigkeitsakt in der bulgarischen Geschichte - der Vereinigung von Ostrumelien und dem Fürstentum Bulgarien - bewiesen die Bulgaren erneut die Stärke der..

veröffentlicht am 22.09.24 um 08:30
Verein für Nachstellungen „Mos Maiorum Ulpiae Serdicae“

Festival in Sofia lässt die Zeit von Kaiser Constantius II. wieder aufleben

Die Gäste und Einwohner von Sofia können am 21. und 22. September in die Zeit der Spätantike und der Herrschaft von Kaiser Constantius II. eintauchen - einem der Söhne Konstantins des Großen. Die Nachstellung wird vom Verein „Mos Maiorum..

veröffentlicht am 21.09.24 um 08:25

Geheimnisse von Sofia: Das Schicksal von Naum Torbow - dem Architekten der Zentralen Markthalle

Nach der Befreiung Bulgariens von der osmanischen Herrschaft strömten Architekten aus Europa nach Sofia, der 1879 proklamierten neuen bulgarischen Hauptstadt, um ihr ein modernes Aussehen und eine funktionelle Infrastruktur zu verleihen. In den..

veröffentlicht am 08.09.24 um 10:15