Die vor neun Monaten vereinbarte Rotation zwischen Premierminister und Vizepremier steht möglicherweise vor dem Scheitern. Besagte Rotation zwischen NikolajDenkow und Maria Gabriel sollte bereits am 6. März erfolgen. Aber die zu spät begonnenen Verhandlungen zwischen den bisherigen Regierungspartnern haben einen reibungslosen Übergang in der Regierung verzögert.
Wesentliche Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den zwei zahlenstärksten Koalitionen im derzeitigen Parlament - GERB-SDS und PP-DB, haben die Ereignisse der letzten zwei Tage: die Übergabe eines Sondierungsmandats für die Bildung einer Regierung an die Kandidatin der GERB-SDS Maria Gabriel, dessen Rückgabe an das Staatsoberhaupt 24 Stunden später und der unmittelbar danach erfolgte abrupte Vertrauensentzug von Seiten der Regierungspartner PP-DB.
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Es ist eine echte Herausforderung, die Geschehnisse der letzten Tage in unserem innenpolitischen Leben so zu erklären, dass sie für das mehrsprachige Publikum von „Radio Bulgarien“ in der ganzen Welt, das nicht im bulgarischen politischen Theater eingeweiht ist, verständlich zu machen. Deshalb haben wir politische Analysten und Beobachter zu Hilfe gezogen.
„Sie pokern und setzten dabei das Land aufs Spiel, was für mich inakzeptabel ist“, sagte Swetlin Tatschew, ein politischer Analyst der Nachrichtenagentur „Gallup“, in einem Interview für „Radio Bulgarien“. „All diese Breafings lassen vermuten, dass sie sich hinter den Kulissen gegenseitig die Arme verderehen, damit im Falle einer Regierungsbildung alle Koalitionspartner mit dem Erreichten zufrieden sind. Das Problem ist, dass uns dieses Ringen am Ende zu vorgezogenen Neuwahlen führen kann. Wir sind bereits nur einen Schritt davon entfernt. Vorgezogene Wahlen sind eine äußerst schlechte Option für das Land, denn es müssen Gesetze verabschiedet und Reformen durchgeführt werden, z. B. im Justizwesen. Bulgarien muss sich auf Schengen und die Eurozone zubewegen. Außerdem befinden wir uns mit dem Krieg in der Ukraine in einer schwierigen geopolitischen Lage, d.h. es gibt zu viele Dinge, für die politische Stabilität erforderlich ist. Hinzu kommt, dass die Bürger größtenteils keine neuen Parlamentswahlen wollen.“
Als mögliche Hindernisse für eine Einigung sieht der Politikwissenschaftler die DPS und ihren Ko-Vorsitzenden Deljan Peewski an, der von der US-Behörde für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte (OFAC) im Rahmen des weltweiten Magnitsky-Gesetzes sanktioniert wurde. Wir befinden uns jetzt jedoch in einer neuen Situation, so Tatschew:
„Während die Partei „Demokratische Bulgarien“ in den ersten neun Monaten die DPS brauchte, um Verfassungsänderungen zu verabschieden, steht diese Notwendigkeit jetzt nicht mehr auf der Tagesordnung. Und das wiederum bedeutet, dass sie nun isoliert werden soll. Das jedoch widerentspricht den Wünschen der DPS, wie auch aus den Statements von Deljan Peewski deutlich wird: „Wenn ihr Probleme habt und Unterstützung braucht, seid ihr mit der DPS, und wenn ihr euch beweisen wollt, trampelt ihr auf der DPS herum“, heißt es in einem Post von Peewski auf der Website der DPS.
In Angelegenheiten, die die Regulierungsbehörden betreffen, bei denen eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, muss die Hilfe einer euroatlantisch orientierten politischen Formation in Anspruch genommen werden. Zu diesem Profil gehört natürlich auch die DPS. Dieser Umstand macht den Koalitionspartnern von GERB-SDS wahrscheinlich in gewissem Maße Angst, weshalb sie dem vermutlich zu entkommen versuchen.“
Immer deutlicher wurde in den letzten Stunden die Notwendigkeit, die Rolle der DPS in der Regierung zu klären. Vor allem nach der unmissverständlichen Erklärung ihres Ko-Vorsitzenden Peewski, dass er ab nun am Verhandlungstisch sitzen werde, und falls seine Partei um Unterstützung gebeten werde, werde dies vor den Augen aller Wähler geschehen.
„Unabhängig davon, in welcher Konstellation das Land regiert wird, muss von nun an das große Gespräch über die Rolle der DPS und von Deljan Peewski in den politischen Prozessen beginnen“, erklärte der Kommunikationsexperte Iwo Indschow in einem Interview für den BNR.
Der politische Analyst Milen Ljubenow ist eher skeptisch, dass der Dialog zwischen GERB-SDS und PP-DB fortgesetzt werden kann.
„Selbst wenn sie eine Einigung erzielen und es schließlich zu einer Rotation kommen sollte, sind die Aussichten für ein solches Kabinett nicht gut. Wahrscheinlich werden wir uns in ein paar Monaten wieder in derselben Situation von Skandalen und Spannungen befinden, die uns zu vorgezogenen Parlamentswahlen führen werden“, meint Milen Ljubenow. „Dann wird der Preis, den die politischen Parteien zahlen werden, weitaus höher sein, weil sie nicht erkennen, dass all ihre Handlungen zum Zusammenbruch des Parteiensystems führen und die Möglichkeit besteht, dass neue politische Formationen entstehen, die sich auf diesem Terrain niederlassen. Und meine Befürchtung ist, dass es sich dabei um populistische, autoritäre Parteien handeln könnte, die Bulgarien von seinem europäischen Weg abbringen.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BGNES, BTA, BNR
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