Am 8. Mai fanden in Nordmazedonien vorgezogene Parlamentswahlen und eine zweite Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Vor der Abstimmung bezeichnete einer der führenden albanischen Publizisten des Landes die Bulgaren im Wahlkampf als „Waisen“, weil keine politische Partei um ihre Stimmen geworben und sie nicht als Wähler anerkannt hat. Deshalb fragten wir Atanas Welitschkow, Chefredakteur der Website „Tribuna.mk“, ob er sich als „politische Waise“ fühlt?
„Ich persönlich fühle mich nicht als politisches Waisenkind. Das Problem bei diesem ganzen Tohuwabohu um die Wahlen und bei dem, was Herr Kim Mehmeti gesagt hat, ist, dass bestimmte Parteien, die bisher auf der Verliererseite standen, erwartet haben, dass die Bulgaren für sie stimmen würden, trotz ihres anti-bulgarischen Geredes. Ich meine, wenn ihr uns nicht wählt, kommt die VMRO-DPMNE und dann wird es schlimm. Niemand hat sich die Mühe gegeben, etwas Gutes über die Bulgaren zu sagen, ihnen zu sagen, dass sie in ihnen einen Freund sehen. Viele Bulgaren, die einen Pass haben und Staatsbürger Nordmazedoniens sind, haben für beide Parteien gestimmt - für die Gewinner der VMRO-DPMNE und für die „Sozialdemokratische Union“, sagte der Journalist aus Nordmazedonien gegenüber „Radio Bulgarien“.
Als Begründung für das Scheitern der europäischen Integration der nordmazedonischen Politik nannte er die Tatsache, dass Bulgarien während des gesamten Wahlkampfes als Haupthindernis auf dem Weg Nordmazedoniens in die EU angeprangert wurde.
„In Skopje vergisst man, dass die EU-Erweiterung um die westlichen Balkanstaaten von Bulgarien während der bulgarischen EU-Präsidentschaft auf die Agenda gesetzt wurde. Sie vergessen, dass Bulgarien bei der Prespa-Vereinbarung (mit Griechenland im Jahr 2018) geholfen hat. Sie vergessen die Hand, die ihnen gereicht wurde. Es ist nicht die Schuld von Nordmazedonien selbst, dass es zuvor ein Veto von Frankreich erhalten hat, weil es Probleme mit der Korruption hat, mit 3-4 Prozent Vertrauen in das Justizsystem, auch mit schrecklicher Vetternwirtschaft. Das ist niemandes Schuld. Aber die Bulgaren sind schuld daran, dass die Republik Nordmazedonien die Verhandlungen mit der EU nicht aufgenommen hat. Das ist der einfachste Weg.“
Die VMRO-DPMNE gewann die Wahlen überzeugend mit populistischen Versprechungen, die Einkommen zu erhöhen, aber auch die Freundschaftsverträge zu überarbeiten und das Prespa-Abkommen mit Griechenland. Diese Verträge ermöglichten den Beitritt des Landes zur NATO. Der Journalist Atanas Welitschkow ist davon überzeugt, dass es sich dabei nur um Wahlkampfgerede handelt. Er führte als Beispiel an, dass es der Innenminister der VMRO-DPMNE war, der versuchte, die Ausgabe der neuen Ausweispapiere mit dem geänderten Namen des Landes von „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ in Nordmazedonien zu verzögern. Der Versuch scheiterte jedoch nach einer entschlossenen Reaktion der griechischen Seite.
Auf die Frage, was er von dem von der belgischen EU-Präsidentschaft entsandten Vermittler im Dialog zwischen Sofia und Skopje erwarte, äußerte Welitschkow die Hoffnung, dass Peter Vanhoutte nicht der neue Matthew Nimetz werde. Der amerikanische Diplomat Nimetz war fast 30 Jahre lang ein erfolgloser Vermittler bei den Verhandlungen zwischen Athen und Skopje. Laut Welitschkow ist das Hauptproblem zwischen Skopje und Sofia die Hassreden und der Anti-Bulgarismus nordmazedonischer Politiker.
„Wenn die Republik Nordmazedonien ihre Probleme mit Bulgarien verantwortungsvoll löst, besteht die Gefahr, dass eine über 100 Jahre alte Linie durchbrochen wird. Das ganze Land, das System hier basiert auf Antibulgarismus. Wenn es keinen Antibulgarismus gibt, müssen Politiker an etwas Wesentlichem arbeiten und Ergebnisse erzielen. Ohne einen Feind können die Politiker hier nicht funktionieren. Sie brauchen ihn, egal ob der sogenannte albanische Extremismus, das Problem mit Griechenland mit dem Namen oder Bulgarien dafür herhalten muss. Sie brauchen einen solchen Feind. Sie können ihre Probleme mit Bulgarien nur lösen, wenn Bulgarien ihren verrückten Geschichtstheorien zustimmt. Das Problem ist, dass die nordmazedonische Seite einen Sieg über Bulgarien, eine Niederlage Bulgariens und keinen Vertrag erwartet.“
Der Chefredakteur von Tribuna.mk prognostizierte, dass die Gewinner der VMRO-DPMNE eine Koalition mit dem albanischen Block „Es lohnt sich“ anstreben würden, fügte aber hinzu, dass neue vorgezogene Wahlen im Land sehr bald möglich seien.
Übersetzung: Tichomira Krastewa
Redaktion: Rossiza Radulowa
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