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Staatliche Agentur „Archive“ präsentiert 47 digitale Ausstellungen

Dozent Michail Gruew: Die Archive sind kein Ort, an dem Politiker anzutreffen sind

Fotos: @BulgarianArchives

Die staatliche AgenturArchive“ wird in diesem Jahr nicht ihre Türen für die breite Öffentlichkeit öffnen, um dem Internationalen Tag der Archive am 9. Juni mit einer Ausstellung über ein dokumentiertes Ereignis aus der bulgarischen Geschichte zu gedenken.

Die mit dem Coronavirus zusammenhängende besondere Lage gibt uns dafür aber die Chance für einen virtuellen Spaziergang durch die Vergangenheit. Durch das archivierte Erbe können wir interessante und ungewöhnliche Menschen kennenlernen, Ereignisse erleben, die nicht nur für den Weg unseres Landes, sondern für uns alle als Bürger und Persönlichkeiten wichtig waren.

Auf der Internetseite der Agentur sind bereits 47 digitale Ausstellungen zu sehen, die zwischen 2007 und 2020 zusammengestellt wurden und wichtige historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Jahrestage der Herstellung diplomatischer Beziehungen mit anderen Ländern zeigen.

Ein besonderer Platz gebührt darin dem erfolgreichsten Bürgermeister der Hauptstadt Iwan Iwanow, der Verabschiedung der Verfassung von Tarnowo und dem Aufbau Sofias als die neue bulgarische Hauptstadt. Wichtige Meilensteine wie der Aufbau der zivilen Gesellschaft und die Proteste gegen die Luftverpestung in der Donaustadt Russe sind auch dargestellt, genauso wie das Schicksal der bulgarischen Juden, des Fürsten Alexander von Battenberg, das Leben des Weltraumforschers Widen Tabakow, des Schriftstellers Jordan Jowkow, der Reisebegeisterten Ljuba Kutintschewa und vieler anderer.

Die Schaffung eines Archivs über die Geschichte unseres Landes begann nach der Befreiung Bulgariens von der osmanischen Fremdherrschaft. Einzelne schriftliche Zeugnisse versetzen uns um Jahrhunderte zurück, wie beispielsweise die älteste Chronik aus dem 14. Jahrhundert. Die Archive bewahren Dokumente über mehrere Epidemien auf, die auch das bulgarische Volk heimgesucht haben.

„Wenn wir die Dokumente näher betrachten, werden wir uns überzeugen, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt“, scherzt der Vorsitzende der Agentur „Archive“ Dozent Michail Gruew.

„Die Krankheiten, die großen Epidemien und die Schicksalsschläge haben unsere Vorfahren seit Jahrtausenden begleitet.

Seit anderthalb Jahrhunderten haben wir Informationen, wie die Quarantäne routinemäßiges gegen Epidemien eingesetzt wurde. Die wohl schrecklichste Krankheit war im Mittelalter die Pest und wir scheinen am meisten darüber zu wissen, weil sie sich in ein oft verwendetes literarisches Sujet und einen künstlerischen Archetyp verwandelt hat. In modernen Zeiten gibt es Informationen über die Cholera und ihre Tausenden Menschenopfer, insbesondere während der Kriege, über Typhus, Malaria und der spanischen Krankheit. Die Opferzahlen sind mit den Zahlen der Opfer an den Fronten des Ersten Weltkriegs zu vergleichen.“

Die Agentur bereichert ihre Archive weiterhin dank von Verwandten, die beschlossen haben, die geerbten Fotos und Dokumente weiterzugeben. Die interessantesten Dokumente, die in letzter Zeit eingegangen sind, hängen mit dem Politiker und Anführer der Bauernbewegung G.M. Dimitrow, den Dichtern Ewgenia Mars, Waleri Petrow und Leda Milewa zusammen.

Wir haben das erste Kindergedicht von Leda Milewa „Häschen weiß“ in Handschrift erhalten, ihre Korrespondenz mit anderen Schriftstellern, Übersetzungen aus ihrer Schulzeit im Amerikanischen College. Sehr wertvoll ist auch der Nachlass von Waleri Petrow. Es ist ein eigenwilliges Labor des Künstlers, wenn auch im kleinen Umfang. Daraus ist ersichtlich wie er gearbeitet hat, wie er seit seiner Schulzeit Texte geschrieben und redigiert hat, indem er sie aus Schnipsel zusammengenäht oder geklebt hat. Diese Technik ist durch den PC längst Geschichte geworden.“

Das größte Interesse bringen die Leser den Seiten entgegen, die den Kriegen und insbesondere dem Ersten Weltkrieg gewidmet sind, auf Grund der vollständigen Aufführung von fast 100.000 Namen der Opfer. Die andere große Dokumentensammlung, die das Interesse auf sich zieht, ist diese vom so genannten Volksgericht.

Die Agentur „Archive“ hat bereits 10 der 13 zentralen repressiven Gerichte des kommunistischen Staates mit allen laufenden Prozessen digitalisiert. Die anderen drei werden bis Ende nächsten Jahres hochgeladen.

Den Worten von Dozent Michail Gruew zufolge wurde das Archiv von rund 5.000 Forschern besucht.

„Die Archive sind traditionell keine Orte, die von Politikern besucht werden“, kommentiert Gruew und bestätigt, dass kein einziger von ihnen da war. Aber wo wäre Bulgarien heute, wenn unsere politische Klasse aus der Vergangenheit lernen würde?

"Laut Jefferson lehrt die Geschichte der Menschheit, dass die Menschheit nicht aus ihrer Geschichte lernt. Natürlich könnten viele Fehler vermieden werden oder man könnte sich informieren, wie unsere Vorfahren in der Vergangenheit auf solche Herausforderungen reagiert haben. Aber wie man so schön sagt, die Zukunft liegt vor uns. "

Übersetzung: Georgetta Janewa



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