Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine und seine Folgen für Bulgarien und Europa standen im Mittelpunkt des Jahrestreffens zwischen Unternehmern und Regierung. Die 12. Ausgabe des von der Zeitung „Kapital“ organisierten Forums fand in einer beispiellosen Situation statt – lediglich wenige hundert Kilometer von Bulgarien entfernt findet ein militärischer Konflikt statt, in dem nicht nur die zwei kriegführenden Nachbarländer verwickelt sind, sondern der auch die Europäische Union, die NATO und die gesamte internationale Gemeinschaft betrifft. Dieser Konflikt wird wahrscheinlich nicht nur einen Teil der Welt, sondern die gesamte Welt verändern, zu der auch Bulgarien gehört, meinte der Politikwissenschaftler Iwan Krastew:
„Wir leben in einer anderen Welt. Auf der einen Seite gibt es die Pandemie, die Katastrophenstimmung verbreitet, weil man nicht mehr zu dem zurückkehren kann, das uns früher umgab. Auf der anderen Seite ist ein Krieg ausgebrochen. Es gibt eine ganze Generation, die in einer ganz anderen Welt lebt als wir und noch nie etwas von Atomwaffen gehört hat.“
Das für die europäischen Länder zur Überzeugung gewordene Gefühl, dass ein Krieg zwischen zwei Ländern unmöglich ist, die ausgedehnte Handelsbeziehungen untereinander entwickelt haben, ist völlig falsch, verweist Krastew.
„Plötzlich stellt sich heraus, dass die gegenseitige Abhängigkeit in einem Moment des Konflikts zu einer Bedrohung geworden ist“, sagt der Politologe weiter und versucht eine andere vom Konflikt widerlegte Wahrheit zu erklären, nämlich das in einer solchen Situation eine Neutralität unmöglich ist. „Die Idee, dass man aus der Sache herauskommen und eine Art Zuschauer sein kann, scheint mir eine Illusion zu sein, die wir zwar aufrechterhalten können, aber sie ist in der heutigen Welt nicht anwendbar.“
Aus diesem Grund war eine der führenden Botschaften der bulgarischen Regierung die Notwendigkeit einer klaren Position gegenüber Russland und die Abgrenzung der Sympathie gegenüber Russland, die ein Teil der Öffentlichkeit hegt, vom Putin-Regime, erklärte Premierminister Kyrill Petkow.
Welche wirtschaftlichen Folgen wird der Krieg für Bulgarien haben?
„Was in der Ukraine passiert, wird nicht in 2 bis 3 Monaten aufhören, sondern sicherlich noch einige Jahre andauern“, ist Finanzminister Assen Wassilew überzeugt.
„Zu den Szenarien, an denen wir arbeiten, gehören die Ausweitung des Konflikts auf Moldawien, mögliche Unterbrechungen der Schifffahrt und des Warentransports auf dem Wasserweg. Auch sind wir auf einen Mangel an Getreide bzw. ein Ausbleiben der Getreideernte in Osteuropa vorbereitet. In Bulgarien haben wir dieses Problem bereits gelöst, indem wir einen großen Teil des Getreides aufgekauft haben, das sich auf dem Territorium des Landes befindet“, sagte der Minister.
Er führte als Beispiel an, was passieren würde, wenn es in Nordafrika, einem der größten Getreideimporteure der Welt, zu einer Getreidekrise käme: „Wenn dort die Brotpreise steigen, könnte das zu einer Instabilität der Regierungen führen und Flüchtlingswellen auslösen.“
Die Erdgasversorgung und die Gefahr einer Energiekrise sind ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt. Der Premierminister und der Finanzminister bestätigten, dass sie an der Diversifizierung und Absicherung der Versorgung mit Erdöl und Erdgas arbeiten. Der langfristige Vertrag des Landes mit der russischen „Gazprom“ läuft Ende dieses Jahres aus. Die Unterzeichnung eines neuen Abkommens erscheint im Kontext des Krieges sowie der daraus resultierenden neuen Pläne der Europäischen Union wenig wahrscheinlich.
„Es gibt gute Nachrichten für uns – wir befinden uns geografisch an einem Ort, an dem es alternative Routen gibt. Wir besitzen eine Infrastruktur, die an andere Länder (Türkei und Griechenland) gekoppelt ist und über die wir Flüssiggas erhalten können“, sagte Energieminister . „Das Problem besteht darin, dass es Besonderheiten bei der Zustellung gibt und es derzeit schwierig ist, zu entscheiden, wie die Lieferungen in größerem Umfang umgesetzt werden können.“
Die Inbetriebnahme der Gasverbindung zu Griechenland, über die Gas aus Aserbaidschan nach Bulgarien gepumpt werden soll, kann bis zu 30 Prozent des Bedarfs des Landes decken. „Ich hoffe, dass dieses Projekt bis Ende Juni abgeschlossen sein wird“, sagte Kyrill Pekow während des Forums.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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